Grundsätzlich wird gelten:
Für die Entstehung der Umsatzsteuer und die zutreffende Anwendung des Steuersatzes kommt es darauf an, wann die Leistung ausgeführt worden ist. Die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes ist dabei unabhängig davon, ob der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) oder nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) besteuert, von Bedeutung ist nur, wann die entsprechende Leistung nach umsatzsteuerrechtlichen Regelungen ausgeführt ist. Auch die Vereinnahmung von Anzahlungen oder Vorauszahlungen ist für die endgültige Entstehung der Umsatzsteuer der Höhe nach ohne Bedeutung, § 27 Abs. 1 UStG.
Zur korrekten Ermittlung der Umsatzsteuer muss damit immer festgestellt werden, wann die Leistung ausgeführt ist. Besondere Probleme ergeben sich bei langfristigen Verträgen, die über den Zeitpunkt des Steuersatzwechsels hinaus ausgeführt werden.
Grundsätzlich gilt für die Ausführung einer Leistung Folgendes:
Wichtig: Entstehung der Umsatzsteuer
Grundsätzlich gilt: Die Umsatzsteuer entsteht endgültig erst mit Ausführung einer Leistung oder Teilleistung – Anzahlungen sichern keinen Steuersatz
Neben der tatsächlich (endgültig) ausgeführten Leistung führt auch eine abgeschlossene Teilleistung zur endgültigen Entstehung einer Umsatzsteuer. Damit eine Teilleistung vorliegen kann, müssen 2 notwendige Bedingungen nach nationalem Recht vorliegen:
Die Anpassungsfragen bei der Änderung des Steuersatzes sind von einer Vielzahl von Einzelfällen geprägt. Dabei sind neben der Berücksichtigung von systematischen Grundsätzen auch Vereinfachungsregelungen zu beachten, die die Finanzverwaltung regelmäßig im Zusammenhang mit Steuersatzänderungen angewendet hat. Obwohl sich die Finanzverwaltung zu der kurzfristig anstehenden Steuersatzänderung noch nicht geäußert hat, ist davon auszugehen, dass die meisten Abgrenzungsfragen entsprechend der früheren Umsetzung beantwortet werden können:
Besonders zu beachten ist bei einer Steuersatzänderung die korrekte Ermittlung der geschuldeten Umsatzsteuer, wenn der Unternehmer für seine Leistungen Anzahlungen oder Vorauszahlungen vereinnahmt hat. Dabei sind grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten denkbar (die Zusammenstellung erfolgt anhand der Annahme, dass die Absenkung des Steuersatzes nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert wird):
Leistungserbringung
Leistung oder Teilleistung erbracht bis 30.6.2020
Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021.
Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021
Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 31.12.2020
Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 31.12.2020
Anzahlungen
Ob Anzahlungen geleistet worden sind ist unerheblich.
Anzahlungen sind vor dem 1.7.2020 nicht geflossen.
Anzahlungen sind ganz oder teilweise vor dem 1.7.2020 geflossen
Anzahlungen sind vor dem 1.1.2021 nicht geflossen.
Anzahlungen sind ganz oder teilweise in der Zeit zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 geflossen
Steuerliche Behandlung
Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 16 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 5 %.
Die Anzahlungen vor dem 1.7.2020 waren mit 19 % bzw. 7 % besteuert worden, bei Ausführung der Leistung in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 sind die Leistungen mit 3 % zu entlasten.
Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Die Anzahlungen können mit 16 % bzw. 5 % besteuert werden, bei Ausführung der Leistung ab 2021 sind die Leistungen mit 3 % bzw. 2 % nachzuversteuern.
Hinweis 1: Der leistende Unternehmer könnte aber auch schon in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 ausgeführt werden - soweit dies sicher ist -, den Regelsteuersatz mit 16 % bzw. 5 % angeben; in diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss mit dem entsprechenden Steuersatz.
Hinweis 2: Der leistende Unternehmer kann aber auch schon in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in 2021 ausgeführt werden, den Regelsteuersatz mit 19 % bzw. 7 % angeben. In diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss in 2020 mit 19 % bzw. 7 %. Dies ist jetzt auch so in dem BMF-Schreiben vom 30.6.2020 geregelt, nachdem eine entsprechende Regelung in den ersten Entwürfen noch gefehlt hatte.
Die Entlastung bzw. die Nachversteuerung von Anzahlungen erfolgt in der Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung oder Teilleistung, auf die sich die Anzahlung bezieht, ausgeführt ist. Besteuert der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten, erfolgt die Entlastung bzw. Nachversteuerung in dem Voranmeldungszeitraum, in dem das restliche Entgelt vereinnahmt wird.
Beispiel: Unternehmer U hat im Januar 2020 den Auftrag übernommen, für einen Kunden K eine maschinelle Anlage zu errichten. Es war ein Nettobetrag i.H.v. 500.000 EUR vereinbart
worden. Im März 2020 hat U seinem Auftraggeber 100.000 EUR zuzgl. 19 % Umsatzsteuer von 19.000 EUR als Abschlagszahlung berechnet, die Zahlung wurde im April 2020 geleistet. Die Abnahme der
Anlage nach Fertigstellung erfolgt im August 2020.
Im Monat der Vereinnahmung der Anzahlung hat U aus der erhaltenen Anzahlung 19.000 EUR bei seinem Finanzamt anzumelden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG). Die steuerbare und
steuerpflichtige Werklieferung des U unterliegt dem im August 2020 geltenden Regelsteuersatz von 16 %. U hat seinem Auftraggeber 500.000 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer von 80.000 EUR zu berechnen,
die Anzahlung ist mit 100.000 EUR und 19.000 EUR Umsatzsteuer von diesem Betrag abzusetzen, sodass sich noch ein Zahlungsbetrag von 461.000 EUR ergibt. Die Rechnung könnte wie folgt erstellt
werden:
Maschinelle Anlage500.000 EUR
U schuldet im August 2020 noch eine Umsatzsteuer von (80.000 EUR - 19.000 EUR =) 61.000 EUR. Die erhaltenen Anzahlung aus dem April 2020 ist in der Voranmeldung August 2020 in der Zeile 26 ("Umsätze zum Steuersatz von 19 %") mit - 100.000 EUR rückgängig zu machen und der gesamte Umsatz von 500.000 EUR in der Zeile 28 ("Umsätze zu anderen Steuersätzen") mit 16 % zu erklären.
Hat der Unternehmer für zwischen dem 1.7. und 31.12.2020 vereinnahmte Anzahlungen die Umsatzsteuer mit 16 % bzw. 5 % in der Rechnung angegeben, ist bei Leistungserbringung ab dem 1.1.2021 die Anzahlungsrechnung nicht zu berichtigen, wenn in der Endrechnung die Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag mit dem neuen Steuersatz angegeben wird. Allerdings ist darauf zu achten, dass die in der Anzahlungsrechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Schlussrechnung wieder offen abgesetzt wird. Der Unternehmer kann aber auch seine Rechnung über die zum anderen Steuersatz vereinnahmten Anzahlungen berichtigen. Die Berichtigung erfolgt in diesem Fall für den Voranmeldungszeitraum, in dem der Unternehmer den Steuerausweis berichtigt.
Die Regelungen gelten nicht nur für den leistenden Unternehmer, sondern gleichfalls für die Vorsteuerabzugsbeträge des Leistungsempfängers.
zuzüglich 16 % Umsatzsteuer | 80.000 EUR | Zwischensumme | 580.000 EUR | abzgl. Anzahlung April 2020 netto | - 100.000 EUR | abzgl. Umsatzsteuer auf Anzahlung | - 19.000 EUR | zur Zahlung offen |
461.000 EUR
|
Bei Dauerleistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muss abgegrenzt werden, ob der Unternehmer ggf. Teilleistungen ausführt. Soweit Teilleistungen vorliegen, entsteht die Umsatzsteuer für alle Teilleistungen, die bis zum 30.6.2020 ausgeführt worden sind, noch mit dem alten Regelsteuersatz von 19 % bzw. 7 %. Für alle Teilleistungen, die in der Zeit zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 ausgeführt werden, gilt der Steuersatz von 16 % bzw. 5 % und danach dann wieder mit 19 % bzw. 7 %.
Ein besonderes Problem ergibt sich bei Bauleistungen. Bei Bauleistungen liegen regelmäßig in der Praxis nicht die Voraussetzungen für Teilleistungen vor. Es werden zwar häufig wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, überwiegend fehlt es hier aber an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen. Dies kann jetzt – je nach Situation – zum Vor- oder Nachteil für die Leistungsempfänger kommen.
Ein besonderes Problem ergibt sich insbesondere bei der Absenkung der Steuersätze zum 1.7.2020. Stellt ein Unternehmer eine Rechnung noch mit dem alten Steuersatz von 19 % (oder 7 %) aus, erbringt die Leistung aber zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 hat er zu viel Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen (unrichtig ausgewiesene Umsatzsteue, § 14c Abs. 1 UStG.). Dieser zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag wird von dem Unternehmer geschuldet. Dieser zu hoch ausgewiesene Steuerbetrag kann aber von einem grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer abgezogen werden.